Freitag, 24. April 2015

Unterwegs Strom tanken

Nachdem ich die Teststrecke maximal durchgetreten habe, ist nicht mehr viel Saft im Akku. Kurz vor dem Zieleinlauf denke ich die Tanke anzufahren, den Akku einfach dort zu lassen und dann die letzte Meile allein zu radeln. Der Praxistest.

„Guten Tag, kann ich bei ihnen auch Strom tanken?“

„Wie jetzt – wir haben keinen Anschluss draußen.“

„Ich hab kein Auto“, sag ich, „sondern nur ein Pedelec.“ (Das Rad steht draußen gut einsehbar vor dem Fenster zur Kassiererin, die mich hat absteigen sehen müssen.)

„Ja nein, das geht nicht. Fahren sie doch ins Zentrum, da steht eine Säule …“

„Der Anschluss ist wahrscheinlich nur für Autos. Mir reicht eine normale Steckdose. Ich hab das Ladegerät dabei, ich brauche auch nur eine halbe Kilowattstunde (ich vermeide: 500 Watt …) und würde am Abend wieder vorbeikommen, den Akku abholen.“

„Wo sollen wir das denn hinstellen? Da ist hier kein Platz.“

Ich grüße höflich und fahre weiter.
Etwas außerhalb, also eigentlich in der Richtung, aus der ich eben gekommen bin, ist noch eine Tanke, wo ich noch nie einen tanken sah. Ich will den Leuten eine Freude machen. Ärgerlich ist nur, dass meine Ankunft den Flirt mit einem Brummifahrer beendet. Ich will auch nicht weiter stören.

„Guten Tag, kann ich bei ihnen Strom tanken?“

„Oh“, sagt sie, und geht in Richtung Nebenraum, „ich glaube das geht nicht.“

„Ich brauch auch nur“, ruf ich ihr hinterher, „eine halbe Kilowattstunde und komm am Abend wieder vorbei …“

Sie steht fluchtbereit in der Tür. Ich, der bärtige Taliban mit Helm, an der Kasse, in der Hand eine grauen viereckigen Kasten mit einem Kabel und Stecker ...

„Mein Chef ist nicht da.“
Die Angst ist spürbar. Nein, ich will auch keinen Polizeieinsatz. Ich setze den Akku wieder ein und fahre weiter.

Gleich nebenan ist ein Baumarkt. Manchmal verkaufen sie dort auch Stromräder. Am Infostand muss ich lange warten, weil der Anruf, der nach mir kam, dringender ist.

"Guten Tag. Ich bin mit dem Pedelec von Cottbus gekommen und wollte nur fragen, ob ich den Akku in der Zwischenzeit, während ich mir die Stadt ansehe, bei ihnen laden kann. Bei der Tanke nebenan haben sie gesagt, das ginge nicht."

Die Gute Frau ist nicht etwa ratlos. Sie ist wütend. Für sie ist das eine Zumutung. Sie sagt das nicht so, aber sie lässt es mich merken.

"Fragen sie doch mal bei Opel nach, das ist gleich um die Ecke."

Danke, ich hab noch ein  Notstromaggregat. Was leider nicht anspringt. Ihm fehlt das Öl. Also noch mal zur ersten Tanke zurück. Dort hat inzwischen die Bedienung gewechselt. Ich könnte sie was fragen, sie ist älter und sicherlich verständiger. Aber ich trau mich nicht mehr. Und außerdem steht der Akku jetzt woanders.

©Klaus Muche

Dienstag, 14. April 2015

Pedelec – Alltagstest


Vorab: Es ist kein professioneller Test einer dafür gegründeten Institution (und begründet demzufolge auch keinen Rechtsanspruch gegen mich, falls ich etwas Falsches gesagt haben sollte), es ist auch kein Test zu Werbezwecken und auch kein Test an einem fabrikneuen Rad. Das Rad ist als „gebraucht“ gekauft, allerdings von einem Händler, der das Gerät im Verleih hatte, bzw. als Vorführgerät. Es ist mir auch nicht bekannt, wie viele Kilometer, Stunden, Tage das Rad benutzt wurde, wie sehr es strapaziert wurde, wie viele Ladezyklen der Akku erlebte und wie viele Kilowattstunden er bereits akkumulierte und wieder frei gab. Es ist mir auch nicht bekannt, ob irgendwelche Reparaturen vorgenommen wurden. Gekauft wie gesehen bedeutet für mich: Das Rad ist top und wie neu, es ist vom Händler „um die Ecke“ und er räumte mir immerhin noch ein Jahr Garantie fürs Rad und ein halbes Jahr für den Akku ein. Der 10-Ah-Akku wurde übrigens, nach dem ich erklärte, was ich mit dem Rad vor habe, noch gegen einen 18-Ah-Akku getauscht, gegen Aufpreis, versteht sich. Das vorhin geschriebene bezieht sich auf diesen Akku. Ich konnte das Rad vorher für eine Stunde testen, was ich ausgiebig tat, in dem ich ein paar mal den nächsten Trümmerberg rauf und runter gefahren bin.
Hier noch ein zweiter Test: Das Pedal-Heimkraftwerk Cougar

Das Pedelec:

Hersteller Kalkhoff
28er Herrentourenrad Agattu XXL Pedelec C

Baujahr 2010, ein Vorführgerät vom Händler im tadellosen Zustand.
Gesamtgewicht 25 kg
Mittelmotor Bosch
Akku 18 Ah; 25V
Ladegerät Input 220-240V; 50/60 Hz; 62W
Output 29,3V, 1,8A
Ladezeit etwa 5 Stunden
Scheibenbremse
Achtgang-Naben-Schaltung
Drei Unterstützungsstufen, eine Einfache Anzeige des Ladezustandes mit drei LED, Ladezustandsanzeige am Akku mit 5 LED, insgesamt also eine recht spartanische Ausstattung, was die Elektronik betrifft.
Bedienungsanleitung:
Die Reichweite wird für den 18Ah-Akku unter "optimalen Bedingungen" mit 140 km angegeben. "Im gemischten Betrieb ist eine Reichweite von ca. 85 km zu erwarten."


Die Teststrecke:

Entfernung zwischen Start und Ziel 40 km; 13 Ampeln, zwei Eisenbahnüberführungen, eine Endmoräne, ein tiefes Tal runter und wieder hoch, Höhendifferenz zwischen Start und Ziel 60 m (Ziel liegt höher).
43% Ortsdurchfahrten; 50% Radwege (davon wieder 50% außerhalb der Ortschaften und im besten Zustand).
Die Strecke wird in der Regel hin und zurück an einem Tag gefahren.



Die Testfahrten

1. Fahrt

Ich fuhr bei mittlerer Unterstützung (1:1), ohne Gegenwind im 8. Gang. Marschgeschwindigkeit auf freier Strecke etwa 27km/h, bergauf 20km/h, bergab mit ausgeschalteter Unterstützung. Nach etwa 20 km erlosch die erste LED der Ladezustandsanzeige, Tempo und Unterstützung wurden beibehalten. Der Akku wurde am Ziel nicht nachgeladen. Bei der Rückfahrt fuhr ich lediglich mit einfacher Unterstützung, also Stufe 1, bergauf mit 15km/h, auf freier Strecke max. 24. Bei der Ankunft zu Hause brannte immerhin von den fünf LED des Akku noch eine, was noch eine Reserve zwischen 10% und 20% bedeutete.
Die Hinfahrt (bergauf) dauerte etwa 1:45 Stunden, die Rückfahrt (bergab) nach einem anstrengenden Tag immerhin 1:55. Zurück fuhr ich anfangs mit mittlerer Unterstützung, als nach weiteren 15 km allerdings das Verlöschen der zweiten LED anzeigte, dass nur noch ein Drittel Saft im Akku sein kann, nahm ich nur noch die 1. Unterstützungsstufe und blieb bei den empfohlenen 22km/h. Nach den insgesamt 86 km fühlte mich weniger beansprucht, als nach einer einfachen Fahrt (43km) ohne Motorunterstützung.
Erster Eindruck: Der Motor greift mit der ersten Pedalumdrehung. Es lässt sich sportlich beschleunigen. Bei 25km/h soll sich der Motor von selbst abschalten, was man aber nicht bemerkt, weil er schon ab etwa 22km/h langsam seine Unterstützung reduziert. Detailliert findet sich das in der Betriebsanleitung – weil das mit jedem Unterstützungsgrad und jedem gewählten Gang früher oder später geschieht. Während der Fahrt lässt sich – bis auf die Beschleunigung – nicht feststellen, ob der Motor unterstützt oder nicht. Denn der Motor ist nicht zu hören. Das gewohnte Schnarren der Postpedelecs fehlt hier, und wird auch nicht kommen, weil dieses Pedelec ja kein brandneues mehr ist.

Zu jeder Zeit kann ich intensiv und mit ganzer Kraft treten oder eben auch mit halber. Auf ebener Strecke gelingt mir dabei, obwohl die Unterstützung längst abgestellt sein sollte, das zügige Fahren mit weit über 25 km/h. Bergab macht sich allerdings die geringe Variabilität der Schaltung bemerkbar: ab 35km/h wird das Treten sinnlos, weil man mit dem Kurbeln nicht hinterher kommt. Andersrum habe ich noch nicht probiert, ob ich mit dieser Schaltung auch ohne Motor einen Berg hinauf komme.
Weil ich in die Dämmerung kam, habe ich nach dem Licht gesucht – und keins gefunden. Gebrauchsanleitung? Ja, online und digital, aber weil nur mit Notrufhandy bestückt, nicht auf dem Rad.


Die 3. Fahrt


wurde zum Härtetest, weil ich etwa 15 Kilo zu transportieren hatte und leichter Gegenwind herrschte. Zudem stellte ich auf der Rückfahrt fest, dass der Reifendruck sich in den vier Wochen seit dem Kauf halbiert hatte. Zum Glück hatte ich einen Adapter gekauft und konnte an der nächsten Tankstelle (also mitten auf der Rückfahrt) die Reifen auf die empfohlenen 4 bar bringen.


Hinzu erlosch die erste LED der drei Lampen bereits nach 15 km, die zweite LED erlosch nach etwa 50 km und ich musste auf die Empfehlung des Werkes zurück greifen: kleinste Unterstützung, nicht mehr als 22km/h. Nachdem der Reifen wieder prall war, fuhr es sich spürbar leichter. Teilweise kam ich auf gerader Strecke auf 25 km/h, wobei ich gelegentlich den Motor abstellte. Die Überraschung:  mit abgeschaltetem Motor fuhr es wenigstens mit sanftem Wind von Hinten nicht schwerer als sonst, mit dem normalen Rad und lasch aufgepumpten Reifen. 
Auch mit eingeschaltetem Licht keine spürbare Veränderung. Der Strom kommt aus dem Nabendynamo, es sollte sich also schwerer fahren, tat es aber nicht. 


Bei Ankunft das gleiche Ergebnis wie bei der ersten Fahrt: es waren mehr als 10% Reserve vorhanden, der Fall also, dass sich der Motor von selbst abstellt, trat nicht ein. Allerdings glaube ich gespürt zu haben, dass der Motor im letzten Viertel der Tagesfahrt und angesichts des fast leeren Akkus doch etwas seine Unterstützung zurück nahm. Dass ich aber eteas schwerer trat, kann aber auch daran gelegen haben, dass ich etwas weniger frisch war, als noch am Morgen.


4. Fahrt

Die Hinfahrt mit vollem Einsatz, bei Gegenwind etwa Windstärke 4, mittlerer Unterstützung und auf freier Strecke im 8. Gang.
Zeit 1:50; Akku Rest: ca. 20%
Nach etwa 15 km erlosch die erste LED, am Ziel brannte nur noch eine (von drei).
Am Ziel etwa 4 Stunden am Benzingenerator geladen. Reifendruck auf 4 bar gehoben.
Rückfahrt mit weniger Einsatz, dafür bei starker Motorunterstützung. Windstille.
Nach 10 km erlosch die erste LED. Auf freier Strecke 8. Gang, ca 28km/h. Bergauf 5. Gang, ca 15 – 22km/h. Am Ziel brannten noch immer 2 LED (von drei). Rest: 50% (3 von 5 LED brannten).
Fahrzeit 1:40h
Ladezeit zu Hause etwa 4:20h
Gesamtladezeit des Tages etwa 8:20
Gesamtfahrtzeit etwa 3:30
Gesamtstrecke 80 km


5. Fahrt: Der Vergleiche

Start (Wohnungstür) 8:52
Abfahrt unten 9:01
Ankunft 10: 52

Fahrplan des Busses:
Abfahrt 9:17 plus 20 Minuten Fußweg plus 5 Minuten Sicherheit
Ankunft 10:37 plus 15 Minuten Fußweg

Ich verlasse zur gleichen Zeit, wie sonst, als ich noch zum Bus ging, die Wohnung. Früher ging ich durch die Haustüre auf die Straße, jetzt stelle ich mein Gepäck im Hausflur ab, schließe den Keller auf, wuchte das Pedelec über die verdammt enge Treppe nach oben, wobei ich aufpassen muss, dass ich mir nicht das Rücklicht abschlage oder der Putz das Rad zerkratz, schiebe es teilweise über die Stufen nach oben, weil das Alu-Rad auch ohne Akku noch 5 Kilo mehr wiegt, als mein altes Tourenrad aus Eisen. Dann baue ich den Akku an, hänge die Taschen ein, die mal wieder etwas klemmen, so dass ich die Schrauben … Sie kennen das … Der Reifen ist O.K., wie Vollgummi aus Eisen, jedenfalls, kann ich meine Daumen nicht eindrücken. Als ich endlich aufsteige, ist soviel Zeit vergangen, dass ich den halben Weg zum Busbahnhof schon gelaufen wäre. Aber ich gehe dorthin ja nicht auf den letzten Drücker, sondern so, dass ich nicht noch mit Gepäck rennen muss, ich habe also noch eine Chance. Die ergibt sich auch daraus, dass die Bus noch eine Schleife fahren muss, mit zwei Haltestellen, an denen er immer hält, nicht weniger Ampeln hat als ich, eher mehr und mein Weg die Abkürzung ist.
Noch vor der Stadtgrenze sehe ich den Bus aus der Zielrichtung. Es gibt in der Stadt eine enge Stelle, da fahren sie so dicht und so langsam aneinander vorbei, dass sie gelegentlich stehen bleiben und sich über dies und das auszutauschen. Das liegt nur zwei Ampeln und zwei Abzweige hinter mir, der Bus sollte mich gleich überholt haben. Als der Radweg vor mir verendet, halte ich an und streife mir die Warnweste über. Sicher ist sicher. Die Bundesstraße ist schwer befahren, seit sie ausgebaut wurde, natürlich ohne Radweg. Ich wittere nach hinten, aber kein Verfolger, auch kein Alter Ego das im Bus sitzend mir den Stinkefinger zeigt.
Auch im nächsten Dorf bleibe ich ungeschlagen, ich stürme auch die Endmoräne hoch, ohne, dass der Bus hinter mir eine Schlange bildet. Erst als ich oben bin, rauscht es neben mir und der Bus zieht vorbei. Die Strecke ist hier leicht abschüssig, was mich Fahrt aufnehmen lässt. So etwa 30 Stundenkilometer. Noch abschüssiger geht es in die nächste Stadt hinunter ins Tal der Spree, für mich gibt’s keine Bremsen, ich beschleunige, bis das Trampeln keinen Sinn mehr macht.
Aber an der Kreuzung, von wo der Bus nach dem gewerkschaftlichen Pause auf dem dortigen Bubahnhof mir entgegen kommen sollte, ist vom Bus weit und breit nichts zu sehen. Ich gehe den Angstberg an, manchmal, wenn es gar zu heiß und zu gegenwindig war, hab ich dort auch schon mnal ganz unehrenhaft geschoben, jetzt zieht mich der Motor im Gang 7 fix nach oben. Da endlich sehe ich einen roten eckigen Punkt am Horizont. Sollte das der Bus sein? Am Ortsende ist ein großes Werk mit eigenen Busbahnsteigen, die aber nur der Bus nutzt, sonst niemand. Zum Werk muss der Bus links abbiegen, dann einmal links schwenken, noch einmal rechts, dann scharf links und zweimal rechts und spätestens dort taste ich sichernd nach meiner Kotztüten.
Und an eben jener Kreuzung taucht er wieder auf und muss gleich an der nächsten Haltestelle stehen bleiben. Ein Kilometer vor mir. Das spornt an. Aber ich schaffe es nicht, eine Nase weit vor mir fährt er an und verschwindet hinter der nächsten Bahnhofsbrücke.
10:37 hat er sein Ziel erreicht, ich erreiche mein Ziel erst 10:52. Die Differenz von 15 Minuten dürfte aber kaum reichen, um mein Alter Ego vor mir am Ziel erscheinen zu lassen, ein Typ, den ich nicht leiden kann, weil er gerne in der Hängematte den Whiskey, den er nun mal nach einer Busfahrt braucht, schlürfen muss.
Fazit, leider, ich bin nicht schneller sondern auf die Minute genau gleich.
Dafür ist mir nicht übel. Auf Betriebstemperatur gebracht mach ich jetzt das, was ich immer schon tun wollte ...